Zur Einführung in das Thema:
Eine öffentlich beauftragte
Kommission hat ein Gutachten vorgelegt, das sich mit der
Tragödie Dresdens vor mehr als 65 Jahren befaßt, der Ermittlung
der Totenzahl der Bombenangriffe im Februar 1945. Deren Ergebnis lautet:
maximal 25.000 Tote.
Diese Zahl und die wissenschaftliche
Methode ihrer Erhebung bedarf der Überprüfung. Wie tiefgründig hat die
Kommission die Gesamtumstände untersucht? Und daraus abgeleitet: wie
vollkommen und wie wertneutral kann so ein spätes, zugleich aber
erstaunlich präzises Geschichtsurteil überhaupt sein?
Solche
Fragen sind berechtigt eingedenk dessen, daß jeder politische Zeitgeist
versuchte, die unvollkommene Faktenlage um Dresdens Bombenopfer
in seinem Sinn zu interpretieren und zu
revidieren - immer verbunden mit
dem Anspruch auf Unfehlbarkeit.
Nicht nur wir Dresdner werden gegenwärtig
mit neuen
geschichtspolitischen Sichtweisen bedacht. So ist es
naheliegend, daß sich auch das Kommissionsgutachten in die vom Zeitgeist
diktierten
"interessegeleiteten Auslegungen von Überlieferungen" einreiht. Für diese kritisch-pessimistische Vermutung wird der Leser in
nachfolgenden Abhandlungen hinreichend viele Bestätigungen finden.
In dem Konvolut an
Presseveröffentlichungen, Zwischen- und Ergebnisberichten der Kommission
ist es schwierig und mühsam, kritikwürdige Anhaltspunkte und methodische
Schwachpunkte aufzudecken. Ohne vergleichenden Wissensfundus ist eine Analyse der
Kommissionsergebnisse wohl kaum möglich.
Zu diesem Fundus gehört die themengleiche Forschungsarbeit von Dr. Wolfgang Schaarschmidt,
Dresden - 1945
Daten, Fakten, Opfer 2. Auflage/Graz 2009.
Alle bisherigen Schätzungen und
Spekulationen um die Opferzahlen haben einen Hintergrund, mit
dem sich das zerstörte Dresden von anderen bombardierten Städten unterscheidet:
Die
vier
dicht aufeinanderfolgenden Angriffe (Doppelschlag, Flächenbrand,
Feuersturm),
die dadurch stark eingeschränkten
Brandbekämpfungs- und Rettungsmöglichkeiten,
die vergleichsweise unvollkommenen
Gegebenheiten des Luftschutzes und
die Unsicherheit über die Vielzahl an
Personen, die sich zusätzlich in der Stadt aufhielten,
die alsbaldige Beendigung systematischer Bergungen
angesichts der nahenden Front
und der Verwaltungsumbruch nach Kriegsende mit anderen,
lebensnotwendigen Prioritäten.
Diese Betrachtungsweise hat die
"multiperspektivisch" arbeitende Kommission jedoch nicht
ausreichend in ihre Untersuchungen einbezogen. Zwar erfüllte sie mit der
Auswertung noch zugänglicher "dokumentarischer Überlieferungen" ihren
Auftrag, doch mit der daraus resultierenden, nahezu personengenau festgelegten Zahlenobergrenze wird sie es schwer haben vor der
Zeitgeschichte zu bestehen.
Die Kommission ist
belastet durch ihre politisch motivierte Berufung, ihr
wissenschaftlich-methodisches Dilemma und die nachträgliche Geheimniskrämerei um ihre Arbeitsunterlagen.
Lesen Sie dazu die Ausführungen in der
Rubrik "Übersicht".
|
|
Mit dem Zweifel
erwacht der Wissensdurst,
somit die Wissenschaft;
und umgekehrt erweckt die Wissenschaft den Zweifel.
Friedrich Anton Heller v. Hellwald,
(1842 - 1892), Kulturhistoriker
Manipulierte Wissenschaft
und externe Werte
Eine Wissenschaft, die sich
im Idealfall nur an den höchsten internen Werten (u. a.
Wahrheit,
Gültigkeit) orientiert, die nicht für externe (u. a. politische) Werte
geopfert, verdreht oder manipuliert werden, ist ein
wissenschaftsphilosophisches unerreichbares Konstrukt, das zwar zu
erhalten und anzustreben ist, doch nie erreicht werden kann.
De facto
treffen wir auf eine Verwobenheit von wissenschaftsinternen und
wissenschaftsexternen Werten. Dabei können externe Werte durchaus
dominant werden.
Kühberger/Sedmak;
Ethik der Geschichtswissenschaft
Wien 2007, Seite 60,
Valentin Falin
zur Geschichtsschreibung
Es
sind Abertausende Bücher über das 20. Jahrhundert geschrieben worden und
doch ist die Geschichte dieses Säculums noch längst nicht gerecht und
ausgewogen dargestellt. Es gibt viele Hypothesen und noch mehr
Unterstellungen. Doch ein Schwarz-Weiß-Denken dient nicht einer
Geschichtsschreibung, die sich als Wissenschaft von der Geschichte
versteht und helfen kann, aus der Vergangenheit zu lernen, um eine
Wiederholung von Fehlern oder Verbrechen zu vermeiden.
Aus
seinem Aufsatz zum
Rapallo-Vertrag,
ND(online) 14.4.2012 |